René Scheers Arbeiten aus der TrainSurfer-Serie (2017 bis 2024) bieten auf den ersten Blick viel Farbe und auf den zweiten vorallem Hände. Und genau diese Hände stehen bei dieser Ausstellung im Fokus. Die Finger greifen nach Stangen, Griffen oder Kanten um sich festhalten. Es eröffnet aber auch einen Blick auf die Subkultur der sogenannten Train-Surfer – Menschen, die sich an fahrenden Zügen festklammern, auf ihnen herumklettern oder ihre Dächer als Laufsteg nutzen.
Diese Darstellung polarisiert: Warum betreiben Menschen diese gefährlichen Aktionen? Sind sie schlicht Adrenalin-Junkies, auf der Suche nach maximalen Lebensgefühlen? Oder versuchen sie, Gefühle zu betäuben? Geht es vielleicht um den Wunsch nach Aufmerksamkeit? Werden sie unter dem Einfluss der Gruppe zu riskanten Mutproben gedrängt?
Diese Fragen werfen einen Schatten auf die moralische Verantwortung des Künstlers. Indem René Scheer diese lebensgefährlichen Handlungen dokumentiert, unterstützt er sie dann nicht indirekt? Dies führt zur zentralen Frage nach der ethischen Dimension seines Schaffens. er dokumentiert und zeigt das Train-Surfing, aber nicht, um es zu glorifizieren oder zu verharmlosen. Er präsentiert es so, wie es ist – mit all seinen Risiken und Konsequenzen. Sein Interesse an diesem Thema speist sich aus persönlichen Erfahrungen seiner Jugendjahre, geprägt von der Nähe zu dieser Subkultur, ohne selbst ein Teil davon gewesen zu sein.
Für seine Stencil-Arbeiten recherchierte er intensiv im Internet, studierte Videos von echten Aktionen, die oft auf Plattformen wie YouTube geteilt wurden. Er übernahm bewusst die Unschärfe und das Verwackelte dieser Aufnahmen und fokussierte sich auf ein zentrales Detail: die Hände. Denn der feste Griff symbolisiert letztlich das Überleben in einer lebensbedrohlichen Umgebung. Diese Botschaft vermittelt er mit seinen Bildern auf eindrückliche Weise.
Je länger man sich mit René Scheers Surfer-Stencils auseinandersetzt, desto deutlicher wird ihre Wirkung. Sie erzeugen eine nachhaltige Gänsehaut, die nicht nur auf der Haut spürbar ist, sondern auch im Gemüt. Durch seine Kunst macht Scheer die Fragilität des Lebens sichtbar und spürbar.
The Surfer (1 – 4)
Stencils, jeweils 50×50 cm, Sprühlack auf Leinwand, 2017
Aus YouTube Videos generierte Bilder von Train-Surfern bieten die Grundlage dieser Bilderreihe. Der Fokus der Arbeiten wird dabei auf die Hände an den Oberflächen der Züge gerichtet. Es bleiben unscharfe und auf den ersten Blick nicht erkennbare Strukturen übrig. Aus diesen Vorlagen entstehen Stencils, mit Unmengen von Sprühfarbe. Dieses halsbrecherische Hobby der Adrenalin-Junkies wird erst durch die Möglichkeit der Sozialen Medien ein Ereignis für Außenstehende.
Auf die Frage, warum die Menschen sich solchen gefahren aussetzen gibt es unterschiedlichste Meinungen. Ein paar Antworten darauf und Reaktionen auf die Arbeiten aus den Sozialen Netzwerken:
„Dieses „Hobby“ würde ich nicht weiter hypen – es sollte geächtet werden.“
„Das macht man, um Gefühle abzudecken, totzumachen, nicht fühlen zu müssen.“
„In erster Linie hat es was mit Protest zu tun.“
„Das verbotene Abenteuer…so ungefähr wie die, die auf Häuser klettern.“
„Adrenalin Junkies“
„Wenn es nicht so waghalsig wäre, würden sie es nicht tun. Ist wie extremsport.“
„Wenn sie es nicht dokumentieren würden wüsste es keiner, dass macht es sinnlos.“