René Scheer: „Train-Surfer“
Eine Ausstellung konzipiert von Hans-Christian Jaenicke und René Scheer
René Scheers Arbeiten aus der Train-Surfer-Serie (2017 bis 2024) bieten auf den ersten Blick viel Farbe und auf den zweiten vor allem viele Hände. Und genau diese Hände stehen bei der Ausstellung des Hamburger Künstlers im Fokus. Die Finger greifen nach Stangen, Griffen oder Kanten, um sich festzuhalten. Es sind Hände von Train-Surfern – Menschen, die sich an fahrenden Zügen festklammern, auf ihnen herumklettern oder ihre Dächer als Laufsteg nutzen.

Ein Thema, dass polarisiert: Warum betreiben Menschen diese gefährlichen Aktionen? Sind sie schlicht Adrenalin-Junkies auf der Suche nach maximalen Lebensgefühlen? Oder versuchen sie im Gegensatz dazu, Gefühle zu betäuben? Geht es vielleicht um den Wunsch nach Aufmerksamkeit und wird es durch Social Media Plattformen noch verstärkt? Werden sie unter dem Einfluss der Gruppe zu riskanten Mutproben gedrängt? Erkennen sie nicht die Gefährlichkeit ihrer Handlungen? Auch hier wird es keine eindeutigen Antworten geben.
René Scheer dokumentiert und zeigt das Train-Surfing, aber sicherlich nicht, um es zu glorifizieren oder zu verharmlosen. Er bearbeitet das Thema so, wie es ist – mit all seinen Risiken und Konsequenzen – nicht nur in den Bildern, sondern auch in Gesprächen, zu denen er herzlich einlädt. Sein Interesse an diesem Thema speist sich aus persönlichen Erfahrungen seiner Jugendjahre, geprägt von der Nähe zu dieser Subkultur, ohne selbst ein Teil davon gewesen zu sein.
Besonders beeindruckt ihn zudem die Nähe von Leben und Tod. Für seine Stencil-Arbeiten recherchierte er dafür intensiv im Internet, studierte Videos von Train-Surf Aktionen, die auf Plattformen wie YouTube, Vimeo oder auch auf Instagram geteilt wurden. Er übernahm bewusst die Unschärfe und das Verwackelte dieser Aufnahmen und fokussierte sich auf ein zentrales Detail: die Hände. Durch seine Kunst macht Scheer, der seit vielen Jahren auch im Bereich der Hospiz- und Palliativmedizin tätig ist, die Fragilität des Lebens sicht- und spürbar.
The Surfer (1 – 4)
Stencils, jeweils 50×50 cm, Sprühlack auf Leinwand, 2017

Aus YouTube Videos generierte Bilder von Train-Surfern bieten die Grundlage dieser Bilderreihe. Der Fokus der Arbeiten wird dabei auf die Hände an den Oberflächen der Züge gerichtet. Es bleiben unscharfe und auf den ersten Blick nicht erkennbare Strukturen übrig. Aus diesen Vorlagen entstehen Stencils, mit Unmengen von Sprühfarbe. Dieses halsbrecherische Hobby der Adrenalin-Junkies wird erst durch die Möglichkeit der Sozialen Medien ein Ereignis für Außenstehende.

Auf die Frage, warum die Menschen sich solchen gefahren aussetzen gibt es unterschiedlichste Meinungen. Ein paar Antworten darauf und Reaktionen auf die Arbeiten aus den Sozialen Netzwerken:

„Dieses „Hobby“ würde ich nicht weiter hypen – es sollte geächtet werden.“
„Das macht man, um Gefühle abzudecken, totzumachen, nicht fühlen zu müssen.“
„In erster Linie hat es was mit Protest zu tun.“
„Das verbotene Abenteuer…so ungefähr wie die, die auf Häuser klettern.“
„Adrenalin Junkies“
„Wenn es nicht so waghalsig wäre, würden sie es nicht tun. Ist wie extremsport.“
„Wenn sie es nicht dokumentieren würden wüsste es keiner, dass macht es sinnlos.“
