Ein seltsames Jahr ging zu Ende und ich weiß, dass Jahresrückblicke mit dem Hauptaugenmerk auf Corona nerven können. Aber das ist es hier doch ein Anliegen meine Spatzen-Aktion zusammenfassen und das Jahr insgesamt zu sortieren und einzuordnen.
Ich bin im Rückblick immer noch ganz überwältigt wie meine erst kleine und dann immer größere Soli-Aktion bei allen Beteiligten im Laufe des Jahres angekommen ist. In mehreren regulären Runden und zwei Extra Aktionen wurde mein Soli-Spatz als Stencil mittlerweile mehr als 100-mal auf Malplatte gesprüht. Dieses Motiv war nicht neu sondern ich hatte es schon vor der Soli-Aktion in größeren Arbeiten eingebaut, zum Beispiel beim Farbflut oder beim Artville. Aber es ist in diesem Jahr für mich als Symbol für Solidarität und Zusammenhalt geworden.
Wie viele andere war ich Mitte März in dieser Situation zwischen nicht glauben zu können was da auf uns zurollt bis hin zu Angst was alles passieren kann. Die Bilder aus Italien, dann aus Spanien und Frankreich reichten um die Lage ernst zu nehmen. Die Schlagworte „Bleibt Zuhause“ vermischten sich mit dem Hamstern nach Toilettenpapier. Konzerte wurden abgesagt, Restaurants geschlossen und die Haare wuchsen ungehemmt ohne in Form gebracht werden zu können. In der Xpon-Art Galerie im Hamburger Münzviertel, die ich im Bereich Social Media unterstütze, gab es die erste „Geisterausstellung“.
In dieser Gemengelage von Respekt vor der Situation, der Frage wie es im privaten weitergeht und was das auch für mich in meinem Job im Krankenhaus bedeutet war ich gefangen. Erst nach und nach löste sich die Schockstarre. Und dann hatte ich da diese Schablone von dem Spatz liegen, ein paar mdf-Malplatten zur Hand und Dosen am Start. Dazu war das Wetter für Anfang April wunderschön und somit perfekt zum Sprühen. Die ersten drei Platten waren schnell fertig und der Instagram-Post dazu auch. Ein Freund meldete sich und fragte ob ich den Spatz verkaufen würde. Da ich kurz vorher einen Bericht zu der Kitchen-Guerilla gesehen hatte, die um Spenden warben um für Obdachlose kochen zu können bat ich den Freund doch direkt dahin zu Spenden. Wir einigten uns auf 35€ und er packte noch ein paar Euro dazu. Er postet dann den Spatz und kurze Zeit später waren die beiden anderen Bilder auch verkauft gegen Spende. Es folgten schnell noch 5 Arbeiten für die gleiche Location immer für 35€ plus das was die Leute noch drauflegen wollten.
Ab dann wurden immer ca. 10 Spatzen auf einmal gesprüht und die Beiträge dafür direkt von den Käufer:innen an die unterschiedlichen Organisationen, Einrichtungen und Personen gespendet. Daher weiß ich auch nicht wieviel Geld am Ende zusammengekommen ist. Einige hatten geschrieben, sie hätten die Summer erhöht. Aber Nachweise wollte ich gar nicht sehen – das hätte die Aktion nur viel zu sehr bürokratisiert. Aber mehrere tausend Euros sind es dann insgesamt doch geworden.
Zwischenzeitlich gab es meinerseits Lieferschwierigkeiten, weil der Nachschub auf sich warten ließ. Der Kunstbedarfshändler konnte nicht alle Aufträge so schnell wie gewohnt abarbeiten. Auch sie hatten wegen der Pandemie ihren Betrieb umgestellt und die Wartezeiten auf Postpakete kamen dazu.
Unterstützt wurden durch die Aktion mein Lieblingsclub @hafenklanghamburg, die wunderbare @krabax_kunstschule, das äußerst sympathische Tattoo-Stübchen von @fraeulein.tinte, die alternative Bar Urknall und die wichtigen Hamburger Frauenhäuser. Zum Schluss des Jahres habe ich noch mit einer Extra-Auflage das Achtzehnhundert93, dem Clubheim von Altona 93 unterstützt. Im Sommer hatte ich schon mit einem anderen Motiv direkt meinen Lieblingsfußballverein Altona93 unterstützt. Ab und an wurde gefragt, ob ich denn jetzt das Porto auch noch übernehme. Da habe ich Unterstützung bekommen und mir wurden von 2 Freundinnen ein Teil der Porto-Ausgaben und die Verpackung gesponsert – Danke an Simone und Vera.
Während ich gerade wieder eine Reihe der Stencils gesprüht hatte, stolperte ich über die Aktion von Marambolage (Instagram: Marambolage). Sie bat im Hinblick auf die leeren Regale in den Supermärkten um einen Kunstbeitrag auf Toilettenpapier. Unter dem Motto „Das letzte seiner Art“ konnte sie über zweihundert Künstler:innen motivieren ihre Arbeiten einzusenden. Diese Arbeiten wurden gegen eine Spende für Viva Con Aqua und Zeltschule – eine Organisation die sich um den Aufbau von Schulen in syrischen Flüchtlingslagern im Libanon und in Syrien kümmert.
Es war ein aufwühlendes Jahr für uns alle. Wir waren oft unterschiedlicher Meinung ob die eine oder andere Entscheidung die richtige war – aber das was getan werden musste und muss ist uns (fast) allen klar. Aber viele hat es doch zusammen rücken lassen – trotz des Abstandes. Ich bin dankbar über viele neue Kontakte und Zusammenarbeiten, die sich auch in dieser Zeit gebildet haben. Eine besondere darunter ist die Kooperation mit der Tätowiererin Fräulein Tinte.
Ich hatte die Leute in Runde 4 darum gebeten bei ihr Gutscheine zu bestellen und als Dankeschön bekamen alle noch den Spatz dazu. Der größere Teil wollte aber gar nicht den Gutschein für sich selber und er wurde mir überschrieben. Im September bekam ich daher passend zu diesem Jahr meinen Spatzen auf die rechte Wade tätowiert. Auch das hätte ich am Anfang des Jahres nicht erwartet, dass ein Spatz in meiner Haut verewigt würde. Jetzt entsteht gerade auch durch die wiederholte Schließung des Tattoo-Studios Zeit für eine weitere Kooperation. Stencils vermischen sich mit Tatto-Farbe und bringen Jugendstil-Elemente auf Pappuntergründe.
Insgesamt war 2020 dann doch auch für mich persönlich ein spannendes Jahr abseits von Corona. Ich habe überraschender Weise vieles zwischen Spatzen-Sprühen, Bleib-Zuhause und Lockdown gut hinbekommen.
Vor dem ganzen Mist war ich im Februar in der Kulturschlachterei in Rendsburg eingeladen und habe versucht den Zustand dieser mittelalterlichen Altstadt zu ergründen. Ich hatte mit mehr als 60 Leuten in einer Woche gesprochen und habe symbolhaft Arbeiten erstellt und gezeigt. Die lokale Presse war anwesend und es gab viele spannende Rückmeldungen.
Neben den Spatzen fing ich im ersten Lockdown damit an, Pappkartons mit Stencils und Farbe zu bearbeiten. Etwas ganz neues für mich, nicht alles durchzuplanen was am Ende raus kommen soll, sondern es Laufen zu lassen. Mittlerweile sind über 50 dieser DinA4 Papp-Platten entstanden und werden in den Galerien Oberfett und Pop-Streetshop gezeigt. Ein paar der Arbeiten sind hier zu sehen.
Auch die Galerie Oberfett hatte mit dem Lockdown zu tun, aber vielleicht anders als andere. Aus drei Monaten Oberfett-Hafen an der Großen Elbstraße wurde es fast 8 Monate – der Mieter, der eigentlich die Location übernehmen sollte wollte diese verständlicher Weise nicht im April. Zwischen Lockdown und Unsicherheit schuff Christan Pfaff ein Hort für Hamburger Künstler. Dieser Bestand eigentlich in einer Dauer-Ausstellung mit durchgehenden Eröffnungen, Umhängung und Neuentdeckungen. Auch eines meiner Bilder war an der Petersburger-Wand mit dabei. Danke Christian für Deinen Support auf unterschiedlichen Pflastern und das eine oder andere Bier in diesen verrückten Zeiten.
Im frühen Sommer wurde es Zeit mit meinem Kunstkollegen Dete unsere große Arbeit der Chimären zu beenden – durch die Zeit gab es leider noch keine Gelegenheit die bereits Installierten Arbeiten der Öffentlichkeit zu zeigen. Im Hochsommer dann konnte ich eine der wenigen Ausstellungen dieses Jahr eröffnen. In Salzhausen bei Lüneburg habe ich erstmals meine YVA-Arbeiten gezeigt, die sicherlich auch 2021 nochmal auftauchen werden. Danke an Britta Keller vom Atelier Pinsel und Stein für die Möglichkeit. (Mehr…)
Von August bis September wurde die Arbeit „Unerfüllte Wünsche“ in der Xpon-Art Galerie in der Gruppenausstellung „verschieden“ gezeigt. Die Installation spielt mit hängende Origami-Kraniche aus Deckblättern von Totenscheinen. Diese Blätter sind Anleitungen zum korrekten Ausfüllen und sind in den letzten Wochen auf der Palliativstation im Uniklinikum Hamburg gesammelt worden. Wie viele Wünsche und Träume bei den Verstorbenen unerfüllt geblieben sind lässt sich nur erahnen.“ Entstanden in Zusammenarbeit mit Julia Wolters und der Palliativstation im UKE Hamburg.
Im September war es soweit und ich durfte mit dem Graffiti Künstler Harald Boigs am Rande der Altonale und in Kooperation mit dem Altonaer Museum ein neues Wandbild erarbeiten.
Im November war ich ein Teil der Outdoor-Ausstellung „Umspannen“ an der „kunstremise“ in Pinneberg. Ein wenig Urban-Art und etwas Fotosofie oder auch Dreidimensionales – das waren die Ingredienzien für dieAusstellung. Ein Spagat zwischen Formaler Ästhetik und Konzept Kunst. Mein Beitrag bei dieser Ausstellung ist der Bau eine neuen Mauer am Zaun – quasi eine Doppelung der Barriere. Es sind Steine, die aber keine sind. Die Irritation ist es nun, dass diese „Steine“ aus besprühten Getränke-Verpackungen bestehen. Die Mauer ist also eine Illusion. Der Katalog ist als pdf abrufbar.
Zum Schluss gab es dann noch einen Atelier-Umzug – allen Helfern ein großes Dankeschön. Ich habe mich von der coolen Truppe des Albert-Mund-Hauses getrennt und in ruhigere Gewässer nach Eidelstedt gezogen. Danke an Phillip und Sven für die inspirierende Zeit. Zu dem neuen Atelier kamen dann auch noch eine neue Website dazu. Bisher ist es noch eine Herausforderung alles in diesem Medium zu verstehen. Aber langsam wird es soweit. Ich versuche die Seite nicht einstauben zu lassen sondern immer mit neuen Inhalten zu füttern. Also schaut immer mal rein. Auch hier wird es keinen Shop geben, aber eine Übersicht der gerade aktuellen Arbeiten, die ich anbiete: zu kaufendes.
Ein kleiner Ausblick nach 2021 ist eher nicht möglich, daher lasse ich mich überraschen was da kommt. Ich bin aber ganz positiv!
Bleibt gesund.
Wer noch mehr wissen möchte zu den Soli-Spatzen, der kann den sehr liebenswerten Artikel in den Eimsbüttler Nachrichten nachlesen: